Der Zionismus als Siedlerbewegung

Die Frage des Landes bzw. des Bodens war und ist für den Palästinakonflikt von zentraler Bedeutung. Die zionistische Landnahme vor und nach 1948, vor und nach 1967 beruht (e) auf analogen Prinzipien: dem Transfer des Bodens aus den Händen eines Teils der Bevölkerung (der arabischen) in die Hände eines anderen (des im zionistischen Siedlungsprojekt organisierten jüdischen Teils) – und die politische bzw. juristische Unmöglichkeit eines Rücktransfers.

1947 stellte der Jischuw (die jüdische Gemeinschaft in Palästina) 31% der Bevölkerung, verfügte jedoch nur über 5.7% des Bodens, der in der vor-staatlichen Periode (unter dem britischen Mandat) käuflich erworben werden musste. Nach der Staatsgründung konnte die Landnahme jedoch ohne Rücksicht auf britische bzw. arabische Interessen ausgeweitet werden. Die Fläche Israels betrug bis 1967 20,5 Mio Dunam (2,05 Mio Hektar), die zu über 90% und in verschiedenen Formen ins Eigentum des ethnischen jüdischen Staates überführt wurden. Durch diesen Prozeß verlor auch die arabische Minderheit innerhalb Israels mehr als zwei Drittel ihres Bodens.

Der Prozess ging und geht in den 1967 besetzten Gebieten weiter; dies gilt seit dem Sommer 2005 (Räumung des Gazastreifens) allerdings „nur“ noch für die Westbank und (Ost) Jerusalem (bzw. die Golan-Höhen). Nach dem 6-Tagekrieg wurde zunächst unter der Ägide der Arbeitspartei (bis 1977) hauptsächlich mit Sicherheits-Argumenten gesiedelt. Unter Begin (ab 1977) wurde der biblischen Argumentation größeres Gewicht beigemessen. Die Siedlungstätigkeit wurde jedoch auch unter den nachfolgenden Regierungen fortgesetzt.

Die Siedler selbst können nach ihrer Motivation unterschieden werden. Während ein Teil günstigere Wohnverhältnisse suchte, folgte ein anderer ideologisch-religiösen Imperativen (repräsentiert durch die Bewegung Gush Emunim = Block der Getreuen). Entgegen den Hoffnungen der Palästinenser nahm das Tempo der Landnahme nach 1993 (Oslo Abkommen) noch beträchtlich zu. Die seit 2002 betriebene Errichtung eines Trennwalls innerhalb der Westbank steigerte die Enteignungen abermals. Intifada 1 (ab 1988) und 2 (ab 2000) waren Versuche der Palästinenser sich dagegen zu wehren, dass ihnen der Boden für eine eventuell eigene Staatlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes unter ihren Füßen weggezogen wird.

Chaim Yavin ist den Israelis seit Jahrzehnten als der Nachrichtensprecher des Fernsehens bekannt. Er gilt als sachlich, cool und kompetent, obwohl seine Aufgabe häufig darin bestand „bad news“ vermitteln zu müssen. Es war daher umso überraschender, als Chaim seine Doku produzierte und präsentierte. Denn das Ergebnis ist alles andere als cool. Yavin zeichnet die („ideologische“) Siedlerbewegung als ein Monster, das von allen Regierungen seit 1967 gezüchtet wurde und sich nun als schwerwiegendes Hindernis für einen Ausgleich mit den Palästinensern erweist. Die Doku gibt dem Drama ein „human face“, denn alle Protagonisten, fanatische Siedler und palästinensische Bauern kommen hauptsächlich zu Wort und Bild. Daraus entsteht das Porträt einer Ausweglosigkeit der Situation und der Verzweiflung des Dokumentaristen.

John Bunzl

Erez Ha-Mitnachalim/The Land Of The Settler (Chaim Yavin, Il 2005)
wird am Di, 14.11. um 19:15 im Votivkino vorgeführt.

John Bunzl ist Dozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Nahostspezialist am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP). Zahlreiche Publikationen zu Nahost, jüdischer Geschichte und Antisemitismus. Zuletzt (als Herausgeber): Psychoanalysis, Identity,and Ideology. Critical Essays on the Israel/Palestine Case (2002) und Islam, Judaism and the Political Role of Religions in the Middle East (2004).