Jüdische Filmwoche 2006 - Zum Geleit

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« L’image du Judaïsme et des Juifs dans le cinéma français »

Die nunmehr vierzehnte Jüdische Filmwoche findet heuer in Zusammenarbeit mit der Französischen Botschaft, dem Filmarchiv Austria und dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien statt.

Bei Recherchen für die Programmierung fiel uns erneut auf, dass neben amerikanischen bzw. israelischen Produktionen, sich das französische Kino am meisten mit dem Thema Judentum in unterschiedlichster Weise befasst. Diesem Faktum Rechnung tragend, beschlossen wir, den Hauptschwerpunkt des heurigen Festivals dem Bild von Jüdinnen und Juden in eben diesem französischen Film – von seinen Anfängen bis zur Gegenwart – zu widmen.
Es freut und ehrt die Veranstalter sehr, dass Seine Exzellenz Pierre Viaux, der Botschafter Frankreichs in Österreich, unseren Bemühungen Anerkennung schenkte und unsere Veranstaltung unter seinen Ehrenschutz stellte.

Leider mussten wir jedoch feststellen, dass viele dieser Produktionen nur in ihrer Originalfassung ohne Untertitel zur Verfügung stehen und wir somit unserem, der französischen Sprache nicht kundigen Publikum, eine Reihe von diesen Filmen nicht präsentieren können. Gerne hätten wir mehr interessante Filme gezeigt, aber leider übersteigen die Kosten von Untertitelung oder Simultanübersetzung bei weitem das Budget, das uns zur Verfügung gestellt wird.
Es sei uns erlaubt, werte/r LeserIn, hier anzumerken, dass eine Änderung dieser problematischen ökonomischen Realität nur durch Ihr lautes Reagieren – z.B. durch E-mail, Fax oder Brief an uns – hervorgerufen werden kann.

Zurück zu Erfreulicherem: als Eröffnungsfilm und gleichzeitig zum Start dieses Schwerpunkts wird die Österreich- Premiere der charmanten Komödie Ne Quittez Pas!/Local Call (Arthur Joffé, F 2004) vorgeführt.

In einer Hommage an Romy Schneider zeigen wir drei Spielfilme, in denen die Schauspielerin jüdische Frauen verkörperte. In der Auswahl ihrer Rollen setzte Romy Schneider immer wieder Akzente zur Bewältigung der historischen Last, als die sie das Mitläufertum ihrer Eltern während der Nazizeit empfand.

Sehen Sie als Statement dieser couragierten Haltung Romy Schneider in: Le Train/Der Zug – Nur ein Hauch von Glück (Pierre Granier-Deferre, F/I 1973), La Banquière/Die Bankiersfrau (Francis Girod, F 1980) und La Passante du Sans-Souci/Die Spaziergängerin von Sans-Souci (Jacques Rouffio, BRD/F 1981/82).

In Erinnerung an den 100. Jahrestag der Rehabilitierung von Alfred Dreyfus (12. Juli 1906) werden sowohl Dokumentar-, Stumm- als auch Spielfilme über den Offizier und sein Schicksal gezeigt, so zum Beispiel L’Affaire Dreyfus (Georges Méliès, F 1899) und L‘Affaire Dreyfus/Die Affäre Dreyfus (Yves Boisset, F/D 1995).

Gemeinsam mit den Organisationen Dialog für die Zukunft/Yad Layeled Austria und Yad Layeled France sowie in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria wird Emmanuel Finkiels Dokumentarfilm Dialogue pour demain/Dialog für Morgen im Metro Kino vorgestellt. Der Film beschreibt Aufgabe und pädagogisches Wirken des israelischen Museums und wissenschaftlichen Zentrums Beit Lohamei Haghetaot.

Anschließend an die Vorführung findet eine Podiums- und Publikumsdiskussion statt (in französischer Sprache mit Simultanübersetzung). Vom gleichen Regisseur werden wir auch seinen erfolgreichen Spielfilm Voyages – eine belgisch-französisch-polnische Koproduktion – in Anwesenheit des Regisseurs (angefragt) vorführen.

Außerdem präsentiert Yad Layeled unter der Schirmherrschaft von UNICEF die Wienpremiere von La Mémoire des Enfants von Hannes Gellner und Thomas Draschan (A/F 2006). Der Film behandelt das Schicksal jüdischer Kinder unter dem Vichy-Regime und geht der Frage nach, wie es (menschlich, gesetzlich, administrativ) möglich war, dass auf Initiative der französischen Behörden zwischen 1942 und 1944 mehr als 11.400 jüdische Kinder aus Frankreich nach Auschwitz deportiert wurden.

Weitere französische Spielfilme sind: Monsieur Klein (Joseph Losey, F/I 1976; mit Alain Delon), La vie devant soi/Madame Rosa (Moshe Mizrahi, 1977; mit Simone Signoret), Le Dernier Métro/Die letzte Metro (François Truffaut, 1980; mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu), La Petite Jérusalem/Little Jerusalem (Karin Albou, 2005), bis hin zur erfrischenden Komödie La Première fois que j’ai eu vingt ans/The First Time I Turned Twenty (Lorraine Lévy, 2005).

Vor vierzig Jahren verstarb der amerikanisch-jüdische Komödiant Lenny Bruce. Bob Fosses (1927 – 1987) Meisterwerk Lenny (USA 1974) ist eine Hommage an diesen radikalen Komiker, der von Dustin Hoffman mitreißend verkörpert wird.

Wie auch in den vergangenen Jahren werden heuer neuere internationale Spielfilme präsentiert.

Kleine Bemerkung am Rande: Gemeinsam mit FestivalkollegInnen der im Juni 2006 in Amsterdam gegründeten Association Of European Jewish Film Festivals mussten wir feststellen, dass heuer – filmisch gesehen – ein eher „magerer Jahrgang“ war. Das betrifft allerdings nicht die Qualität der Filme, sondern rein die Quantität... Aber wenden wir uns der Qualität zu. Der Spielfilm Bloom (Sean Walsh, IRL 2003) begibt sich auf die Spuren des Leopold Bloom in James Joyces Ulysses. Dem irischen Regisseur Sean Walsh gelang eine beeindruckende und auch humorvolle Darstellung dieser Odyssee. Het Woeden Der Gehele Wereld/Das Wüten der ganzen Welt (Guido Pieters, NL 2006) ist „eine Geschichte über Musik und Schönheit, Enge und Verbohrtheit, über das Erwachsenwerden und die Nachkriegszeit, verzweifelte Lebenslügen und feigen Verrat.“ (Elke Heidenreich über den gleichnamigen Roman des niederländischen Schriftstellers Maarten ´t Hart). Karov La-Bait/Close To Home (Dalia Hager, Vidi Bilu, IL 2005) zeigt den Alltag zweier junger israelischer Soldatinnen bei ihrem Militärdienst in Jerusalem. Keeping Up With The Steins (Scott Marshall, USA 2006) schildert all die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens – vor allem was die Bar Mizwa betrifft. Um diese „Schwierigkeiten“ nicht nur aus US-amerikanischer Sicht zu betrachten, laden wir alle Interessierte ein, die Premiere des österreichischen Dokumentarfilms Zorros Bar Mizwa (A, 2006) von Ruth Beckermann am 12. November um 19 Uhr zu besuchen. Im Anschluss werden VertreterInnen der katholischen, protestantischen, islamischen und jüdischen Religionsgemeinschaften gemeinsam mit der Regisseurin eine Podiums- und Publikumsdiskussion führen.

In Metallic Blues (Danny Verete, CDN/IL/D 2004) glauben zwei israelische Pechvögel, dass sie das Geschäft ihres Lebens durchführen können. Schnat Efes/Year Zero (Joseph Pitchhadze, IL 2004) ist ein melancholischer Film über Schicksale im modernen Israel. Die Komödie Zores (Anja Jacobs, D 2005) macht ihrem Titel alle Ehre.
Die beiden Dokumentarfilme Apart In The World (Mauricio Chernovetzky, PL/USA 2006) und Food for Love (Heddy Honigmann, NL 2004) behandeln Themen wie Religion, Identität, aber auch Essen unddessen Zubereitung. Der Frankfurter Auschwitz-Prozess (Rolf Bickel und Dietrich Wagner, D 2005) schildert den gleichnamigen Prozess, der von 1963 bis 1965 dauerte. Die beiden Regisseure Rolf Bickel und Dietrich Wagner sind als Gäste angefragt. Ein besonderes Kleinod ist Pearl Glucks Divan (USA 2003): die Suche nach einem berühmten Sofa, das einst ihrer Familie gehörte, führt die Regisseurin nach Ungarn und in die Ukraine. Mit einer Videokamera reiste der bekannte israelische Fernsehmoderator Chaim Yavin durch die West Bank und interviewte dort jüdische Siedler, Friedensaktivisten, Palästinenser und Vertreter von NGOs, wie Physicians for Human Rights. Sein Tagebuch wurde zu einem Dokumentarfilm namens Erez Ha- Mitnachalim/The Land Of The Settlers. Regisseur Chaim Yavin ist als Gast angefragt (Moderation: Karin Kneissl). Gvarim Al Ha-Kaze – Yoman Dayagim/ Men On The Edge (Avner Faingulernt, Macabit Abramzon, IL 2005) ist eine packende Schilderung von Leben und Arbeit israelischer und palästinensischer Fischer. Ha-Chog Le-Kolnoa/The Film Class (Uri Rosenwaks, IL 2006) und Kod Sch’tikah/Code Name Silence (Yifat Kedar, IL 2005) widmen sich schwarzen Bevölkerungsgruppen in Israel: Beduinen und äthiopischen Einwanderern. In KZ (UK 2005) zeigt Regisseur Rex Bloomstein (er ist als Gast angefragt) den Alltag in der Gedenkstätte Mauthausen, aber auch im gleichnamigen Ort. In La Mémoire des Enfants der beiden österreichischen Regisseure Hannes Gellner und Thomas Draschan (A/F 2006), schildern sechs Überlebende der Schoah, die während des zweiten Weltkrieges Kinder oder Jugendliche waren, ihre Deportationen im Frankreich der Jahre 1940 bis 1944. Auch Patrick Rotmans Dokumentarfilm Les Survivants/Survivors (F 2004) widmet sich dem Thema Über- und Weiterleben. Miluj Bližneho.../Love Thy Neighbor (Dušan Hudec; SK/IL 2004) schildert die jüdische Geschichte einer slowakischen Stadt, zeigt aber auch ein Bild von Vergangenheitsbewältigung heute. Regisseur Dušan Hudec ist als Gast angefragt. The Ritchie Boys (Christian Bauer, CDN/D 2004) erzählt die Geschichte einer geheimen Einheit der US-Army während des Zweiten Weltkrieges. Regisseur Christian Bauer ist als Gast angefragt.

Unser heuriges Kurzfilmprogramm kann mit den Begriffen „musikalisch beschwingt“ bis „schräg“ umschrieben werden. Waiting for Woody Allen (Michael Rainin, USA 2003), eine Parodie von Samuel Becketts Warten auf Godot, ist eine Tragikomödie über zwei orthodoxe Juden in New York. In der musikalischen Komödie West Bank Story (Ari Sandel, USA 2005) verlieben sich die Palästinenserin Fatima und der israelische Soldat David ineinander. Es sind schwierige Zeiten – aber Fatima und David beweisen, dass gesunder Menschenverstand vieles bewirken kann.

Monika und Frédéric-Gérard Kaczek


Jewish Film Week 2006 - Introduction

This fourteenth edition of the Jewish Film Week Vienna takes place in cooperation with the French Embassy, Filmarchiv Austria, and the Institute of Contemporary History at the University of Vienna.

Apart from American and Israeli productions, French cinema deals in many different ways with Jewish topics in film. So, our main theme of this year is dedicated to images of Jewesses and Jews in the history of French cinema. It is a great honour that the French Ambassador, H.E. Pierre Viaux, is our patron.

Unfortunately many of those films are only available in their original version, without any subtitles. So, there are some productions which we could not present to an audience that does not speak French.

Let’s go back to more pleasant topics: our opening film is the charming French comedy Ne quittezPas!/Local Call (F 2004). Director Arthur Joffé will be present.

In an hommage dedicated to Romy Schneider, we present three feature films in which the actress plays Jewesses: Le Train/Der Zug – Nur ein Hauch von Glück (Pierre Granier-Deferre, F/I 1973), La Banquière/Die Bankiersfrau (Francis Girod, F 1980), and La Passante du Sans-Souci/Die Spaziergängerin von Sans-Souci (Jacques Rouffio, BRD/F 1981/82). These characters show that Romy Schneider has dealed with her parents who tried to get along with Hitler’s Germany.

In remembrance of the 100th anniversary of the rehabilitation of Major Alfred Dreyfus (July, 12, 1906), we present documentary films, silent films, as well as feature films, like L’Affaire Dreyfus (Georges Méliès, F 1899), Dreyfus ou l’intolerable verite/Dreyfus Or The Intolerable Truth (Jean Chérasse F 1973), I Accuse (José Ferrer (USA 1958), and L‘Affaire Dreyfus/Die Affäre Dreyfus (Yves Boisset, F/D 1995). This matinee takes place in Filmhauskino.

Together with the organisations Dialog für die Zukunft/Yad Layeled Austria and Yad Layeled France, as well as in cooperation with Filmarchiv Austria, Emmanuel Finkiel’s documentary film Dialogue pour demain/Dialog für Morgen is presented in Metro Kino (November 10). It is dedicated to the Israeli museum Beit Lohamei Haghetaot. After the screening, a discussion takes place (in French; translation into German) The next day, Emmanuel Finkiel also presents his feature film Voyages -  a Polish, French and Belgian coproduction from 1999 (Votiv Kino)

In addition, Yad Layeled presents under the patronage of UNICEF the Viennese premiere of La Mémoire of the Enfants by Hannes Gellner and Thomas Draschan (A/F 2006). The film treats the fate of Jewish children under the Vichy regime and follows the question, how was it possible, (humanly, legally, administratively) that between 1942 and 1944 more than 11,400 Jewish children were deported from France to Auschwitz on initiative of the French authorities?

More French feature films to come are: Monsieur Klein (Joseph Losey, F/I 1976; starring Alain Delon), La vie devant soi/Madame Rosa (Moshe Mizrahi, 1977; starring Simone Signoret), Le Dernier Métro/Die letzte Metro (François Truffaut, 1980; starring Catherine Deneuve and Gérard Depardieu), the touching and sensual drama La Petite Jérusalem/Little Jerusalem (Karin Albou, 2005), and tthe lovely comedy La Première fois que j’ai eu vingt ans/The First Time I Turned Twenty (Lorraine Lévy, 2005).

Forty years ago, the Jewish-American stand-up comedian Leny Bruce was found dead in his apartment. Bob Fosse’s masterpiece Lenny (USA 1974) is a gorgeous hommage to that radical performer - played by Dustin Hoffman.

Like in the past years, we present recent international feature films: Bloom (Sean Walsh, IRL 2003) follows Leopold Bloom of James Joyce. Het Woeden Der Gehele Wereld/Das Wüten der ganzen Welt (Guido Pieters, NL 2006) is a touching story about guilt and the past. Karov La-Bait/Close To Home (Dalia Hager, Vidi Bilu, IL 2005) shows the daily life of two young Israeli female soldiers during their service in Jerusalem. Keeping Up With The Steins (Scott Marshall, USA 2006) describes all the difficulties of growing up – keyword Bar Mizwa. In Metallic Blues (Danny Verete, CDN/IL/D 2004) two Israeli car-dealers think that the opportunity of a lifetime has crossed paths with them.Schnat Efes/Year Zero (Joseph Pitchhadze, IL 2004) is a melancholic film about destinies and fate in modern Israel. The German comedy

Zores (Anja Jacobs, 2005) has a lot to do with ist title.

Among this year’s documentary films, Pearl Gluck’s Divan (USA 2003) is a special jewel which is shown together with the philosophical short film Waiting for Woody Allen (Michael Rainin, USA 2003). Der Frankfurter Auschwitz-Prozess (Rolf Bickel and Dietrich Wagner, D 2005) describes one of the most important and dramatic court cases to tackle the issue of the Holocaust. Chaim Yavin, Israel´s foremost television personality, presents his documentary Erez Ha- Mitnachalim/The Land Of The Settlers, a personal travelogue through the Occupied Territories made during the past three years (Moderation: Karin Kneissl). Gvarim Al Ha-Kaze – Yoman Dayagim/ Men On The Edge (Avner Faingulernt, Macabit Abramzon, IL 2005) is a stunning report about Israeli and Palestinian fishermen. Ha-Chog Le-Kolnoa/The Film Class (Uri Rosenwaks, IL 2006) and Kod Sch’tikah/Code Name Silence (Yifat Kedar, IL 2005) are dedicated to Black people in Israel: Black Bedouins and Ethiopian immmigrants. In KZ (UK 2005) director Rex Bloomstein shows life in present-day Mauthausen (Austria) and the different generations of people who visit or work in a former concentration camp. In La Mémoire des Enfants by the two Austrian directors Hannes Gellner and Thomas Draschan (A/F 2006), six survivors of the Shoah who were then children combine personal fate with historical facts. Patrick Rotman’s Les Survivants/Survivors (F 2004) is also dedicated to the question how to live with one’s memories. Miluj Blizneho.../Love Thy Neighbor (SK/IL 2004) tells the history of the Jewish community of the Slovak town Topolcany. Director Dusan Hudec is invited. The Ritchie Boys (CDN/D 2004) presents a group of young German-Jews who were trained for intelligence work at Fort Ritchie, Maryland. Calling themselves “The Ritchie Boys“, they became a decisive force in the war and after D-Day, June 6, 1944, they returned to Europe. Zorros Bar Mizwa (Ruth Beckermann, A 2006) accompanies four Viennese 12-year-olds as they prepare for their bar or bat mizvot (Jewish coming-of-age transition). In a discussion after the screening, representatives from different religious groups meet to talk about transition and commerce. The two documentary films Apart In The World (Mauricio Chernovetzky, PL/USA 2006), and Food for Love. A Shtetl That’s No Longer There (Yiddish Vrennekes – Poland (Heddy Honigmann, NL 2004) deal with identity, religion, and, last but not least, food. The truth of the notion that the way to the heart is through the stomach, is also shown in West Bank Story(Ari Sandel, USA 2005) – a musical comedy. In the end of that film, a young couple plants a seed of hope.

Monika und Frédéric-Gérard Kaczek